Vorwort
Verehrte Liebhaberinnen und Liebhaber der Renaissance Kunst und von Leonardo da Vinci, ich freue mich sehr, dass Sie sich für diese Dokumentation interessieren.
Ich hoffe, dass Sie schon ein gewisses Vorwissen zum Thema Leonardo mitbringen, denn das setzt diese Studie voraus. Sie können aber trotzdem weiterlesen, wenn Sie noch keine Kenntnisse über Leonardo besitzen, denn ich bin mir sicher, dass Sie durch die Lektüre meiner Gedanken selbst zur Lektüre einer ausführlichen Leonardo Biographie angeregt werden.
Wenn Sie dann sich meine Studie nochmals durcharbeiten, werden sie mit noch mehr Vergnügen und Erkenntnissen belohnt, als dies schon beim ersten Mal der Fall war.
Sie haben sich beim Betrachten des Titelbildes dieser Studie bestimmt sofort gefragt, ob der Abgebildete Leonardo da Vincis ist. Das Titelbild zeigt Leonardo da Vinci, allerdings, wie er aussah ohne den sehr bekannten Vollbart. Es handelt sich somit um ein rekonstruiertes Gesicht.
Ich werde anschließend in dieser Studie nach und nach Ihnen erklären, wie es zu dem Bild gekommen ist, aber zunächst möchte ich mich kurz vorstellen.
Ich bin größtenteils autodidaktisch ausgebildet und arbeite als Saxophon Lehrer, Live Musiker sowie im Promotion Bereich von Unterhaltungs- Elektronik. Ich beschäftige mich seit meiner Kindheit mit bildender Kunst sowohl aktiv als Zeichner und Maler als auch passiv durch meine Studien der Kunst Geschichte und ich arbeite zur Zeit meistens an digitalen Bildern, die teilweise mit den nachfolgenden Ausführungen zu tun haben.
Ich zeichne mit der linken Hand und habe mit Rechts schreiben gelernt, was zu meinem Leonardo Verständnis durchaus beigetragen hat.
Ich beschäftige mich nun schon seit 40 Jahren mit Leonardo und ich bin froh, dass ich mit dieser Studie meine eigenen Überlegungen zu Leonardos Aussehen und Person in einer ersten Etappe abschließen kann.
Das Ziel dieser Studie ist Ihnen Leonardo da Vinci zu zeigen wie er tatsächlich ausgesehen hat. Sie werden später Leonardos Gesicht mit ungefähr 10, 13, 15 18, 20 und 24 Jahren sehen.
Das tatsächliche Aussehen Leonardos ist auch sehr wichtig zum Verständnis seiner Biographie und seiner Persönlichkeit, wie nachfolgend noch ausführlich erläutert wird.
Diese Studie, die ich hauptsächlich in den letzten acht Jahren zusammengestellt habe, wird für die meisten Kenner der Biographie und Werke Leonardos verwirrend und erstaunlich sein. Das liegt vor allem an der Zusammenstellung der Abbildungen von Kunstwerken, die ich Ihnen vor allem im zweiten Teil der Studie präsentieren werde. Diese Bilder beziehen sich alle auf das Aussehen des jungen Leonardos und werden dem aufmerksamen Betrachter ihre Botschaft mit großer Selbstverständlichkeit vermitteln.
Natürlich kann man auch andere Schlüsse ziehen aus dem was uns die Bilder mitteilen wollen, aber das hat die Leonardo Forschung der letzten hundertfünfzig Jahre bereits hinlänglich getan. Diese Dokumentation wird Ihnen also einen anderen Leonardo vorstellen, der nur teilweise etwas mit der Person zu tun hat, die in den Standard Werken geschildert wird.
Sie haben dann die Möglichkeit den von mir vorgeschlagenen Ansatz nochmals im Lichte der modernen Leonardo Forschung zu reflektieren.
Leider kann die Leonardo Forschung der letzten hundertfünfzig Jahre nur auf wenige verlässliche Quellen zurückgreifen. Die Quellen aus Leonardos Lebenszeit, die sich direkt auf ihn beziehen sind äußerst spärlich und würden sich auf sechzig Druckseiten zusammenfassen lassen.
Deshalb war die Leonardo Forschung immer auch auf das Hilfsmittel der Interpretation und Ergänzung der Lücken angewiesen. Dadurch hat sich ein bestimmtes Leonardo Bild ergeben, an dem sich in den letzten siebzig Jahren nur wenig geändert hat. Es gibt allerdings Strömungen innerhalb der Leonardo Forschung der letzten zwanzig Jahre, die zumindest was seine Werkstatt Arbeit angeht wieder an die von Wilhelm Suida und Adolfo Venturi geleistete Arbeit anzuknüpfen versuchen.
Diese beiden Kunst Historiker hatten Anfang des 20.Jahrhunderts sich sehr intensiv mit den Gemälden auseinander gesetzt die in den Werkstätten Leonardos entstanden.
Man sprach allerdings damals vom Leonardo Kreis oder von Leonardeschi und nahm nicht so stark Bezug auf eine Werkstatt Methode. Ich werde im vierten Teil dieser Schrift ausführlich auf die Werkstatt Methode Leonardos eingehen. Dabei werde ich erläutern, wie es zu dieser Methodik gekommen ist und warum sie so außerordentlich wichtig ist zum Verständnis der Persönlichkeit Leonardos.
Aus der Erkenntnis des Mangels an authentischen Quellen habe ich begonnen mich intensiv mit den Arbeiten, die in der Verrocchio Werkstatt entstanden zu beschäftigen, sowie mit den Kunst Werken, die in den Werkstätten Leonardos geschaffen wurden. Andrea Verrocchio war Leonardos Lehrmeister und für die Entwicklung von Leonardos Persönlichkeit von außerordentlicher Bedeutung. Ziel dieser Studie ist es an Hand dieser Werkstatt Werke ein authentisches Leonardo Bild zu zeigen.
Leider ist die Zuschreibung von Kunstwerken der Renaissance äußerst schwierig, da nur in Ausnahmefällen eine Signatur durch den Künstler vorgenommen wurde und manchmal auch Signaturen von späteren Verkäufern der Kunstwerke ge - und verfälscht oder nachträglich angebracht wurden.
Deshalb habe ich mich entschlossen, so vorzugehen, wie es noch am Beginn des 20.Jahrhunderts üblich war und die stilistischen Übereinstimmungen der Werke zu beurteilen und danach diese zu klassifizieren. Man sollte nicht vergessen, dass Wilhelm von Bode durch diese Methode einige der bedeutendsten Werke Leonardos entdeckte, wie beispielsweise die Verkündigung in den Uffizien, welche Heute übereinstimmend als Leonardos Arbeit angesehen wird.
Ich habe es soweit ich konnte vermieden mich von dem Stand der modernen Forschung beeinflussen zu lassen, da ich der Meinung bin dass das aktuelle Leonardo Bild sich größtenteils aus übernommenen und auch teilweise festgefahrenen Ansichten zusammensetzt. Dieses Leonardo Bild wird aber Leonardo in seiner Universalität und Genialität und vor allem seiner vielschichtigen komplexen Persönlichkeit nicht gerecht und es ignoriert leider fast völlig den Werkstatt Meister Leonardo der mit Hilfe seiner Schüler einen florierenden Kunst Handel betrieb.
Ich werde mich allerdings hier nicht mit Leonardo als Konstrukteur Erfinder, Geograph, Anatom, Botaniker und Architekt ausführlich beschäftigen, da diese Tätigkeiten Leonardos zum Verständnis seiner Künstler Werkstatt nicht sehr viel beitragen können.
Dieser Themen Komplex wurde auch seit den achtziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts in unzähligen teilweise sehr interessanten Forschungsarbeiten ausführlich bearbeitet.
Die Anzahl der Forschungsarbeiten zu Leonardos Künstler Werkstatt ist leider nach wie vor sehr spärlich und so versuche ich mit dieser Studie diese große Lücke wenigstens ein wenig aufzufüllen.
Diese Studie soll vor allem auch zur Kontroverse anregen, um zu neuen Leonardo Erkenntnissen zu kommen.
Ich kann nur hoffen, dass kommende Generationen von jungen Kunsthistorikerinnen und Kunsthistorikern sich intensiver mit Leonardo dem Werkstatt Künstler beschäftigen, damit wir zu einem vollständigeren und genaueren Bild von Leonardos Persönlichkeit kommen können.
Im dem nun folgenden ersten Teil meiner Studie werde ich darstellen, wie ich zu der Rekonstruktion des Leonardo Gesichtes gekommen bin. Ich werde dann in den nachfolgenden Teilen an Hand der Besonderheiten der Physiognomie Leonardos zeigen, dass man zu überraschenden Schlussfolgerungen kommen kann was die Persönlichkeit Leonardos angeht.
Ich wünsche Ihnen nun viel Spaß und anregende Denkanstöße bei der Lektüre dieser Studie.
Abbildung 23: Detail 3 aus Peruginos Gemälde, die Darstellung Leonardo da Vincis
Abbildung 24: Detail 4 aus Peruginos Gemälde, das Gesicht Leonardos
Wir sehen hier das fein geschnittene, stolze fast schon aristokratisch wirkende Gesicht eines jungen Mannes. Perugino arbeitete bis 1472 in der Verrocchio Werkstatt. Leonardo war also damals 20 Jahre alt. Beachten sie bitte auch das deutlich geformte Kinn Leonardos, sowie den Mund mit leicht überstehender Oberlippe.Abbildung 25: Selbstporträt Andrea Verrocchios, Uffizien Florenz
Es blickt uns ein sehr aufmerksamer Künstler an, der ein sehr männliches ausdrucksstarkes Gesicht hat. Interessant ist der Vergleich mit den weichen und weiblichen Zügen Leonardos.Abbildung 26: Detail 5 aus Peruginos Gemälde, das Porträt von Andrea Verrocchio
Von den weiteren Personen, die in Peruginos Gemälde dargestellt sind fällt vor allem der Weise etwas weiter vorne mit dem Vollbart auf. Diese Person blickt hin zu Verrocchio, Leonardo sowie Perugino und man kann sich gut vorstellen, dass diese drei Personen miteinander bekannt sind. Ich möchte ihnen zunächst ein Selbstportrait von Domenico Ghirlandeio zeigen.Abbildung 27: Selbstporträt Domenico Ghirlandeios aus dem Gemälde „Anbetung der Hirten“, Kirche Santa Trinita in Florenz
Abbildung 28: Vergleich der Selbstportraits Domenico Ghirlandeios
Abbildung 29: Domenico Ghirlandeio Anbetung der Könige, Ospedale degli Innocenti in Florenz
Abbildung 30: Detail 1 Ausschnitt aus Domenico Ghirlandeios Anbetung der Könige, Ospedale degli Innocenti in Florenz
Abbildung 31: Vergleich der Abbildungen Leonardos in beiden Gemälden
Abbildung 32: Detail 2 aus der Anbetung der Könige von Domenico Ghirlandeio
Abbildung 33: Die Taufe Christi, Verrocchio Werkstatt, Uffizien Florenz
Abbildung 34: Vergleich der beiden Leonardo Gesichter aus der Anbetung der Könige von Domenico Ghirlandeio und der Taufe Christi der Verrocchio Werkstatt.
Abbildung 35: Detail aus der Taufe Christi, das Selbstbildnis Leonardos als Engel
Abbildung 36: Leonardo da Vinci Zeichnung eines Kriegers, Silberstift auf präpariertem Papier, datiert 1475 bis 1480
Abbildung 37: Verrocchio Werkstatt, Alexander der Große, Reliefplatte aus Marmor entstanden zwischen 1483 und 1485, National Galerie Washington
Abbildung 39: Christus oder Jünger Johannes aus der Verrocchio Werkstatt, Privatsammlung
Abbildung 40: Vergleich einer Leonardo Selbstportrait Zeichnung mit dem Christuskopf
Abbildung 41: Vergleich des Gesichtes Leonardos in der Anbetung von Perugino mit dem Terrakotta Christus
Abbildung 42: Vergleich einiger Kunstwerke der Verrocchio Werkstatt, die Leonardo zeigen.
Abbildung 43: Vergleich der Gesichter des jungen Leonardo
Abbildung 44: Gesicht eines Engels aus dem Forteguerri Kenotaph, Kathedrale San Zeno, Pistoia
Abbildung 45: Detail aus der Taufe Christi, Vergleich der beiden Engelsgesichter, Verrocchio Werkstatt.
Dritter Teil
Salais Gesichtszüge und sein Verhältnis zuVon herausragender Bedeutung, um zu erfahren wie Salai ausgesehen hat, ist das Gemälde, welches der italienische Multimillionär Bernardo Caprotti 2007 in einer Sothebys Auktion für 650000 US Dollar erstanden hat.
Der 2016 mit 91 Jahren verstorbene Caprotti hatte das Gemälde zunächst der Ambrosiana in Mailand geschenkt, dann aber die Schenkung in seinem Testament widerrufen. Ich werde später erklären, warum Caprotti so verärgert war, dass er das Gemälde nicht mehr der Ambrosiana überlassen wollte.
Das Gemälde wurde fast 7 Jahre lang untersucht und restauriert vor allem von der in Florenz befindlichen Firma Art-Test.Man wollte sicher auch überprüfen ob nicht auch Leonardo selbst an dem Gemälde mit gemalt hat. Einige Details des Gemäldes, wie beispielsweise die Locken, sind so gemalt, dass zahlreiche sehr dünne Farbschichten übereinander gelegt sind.
Abbildung 47: Detail des Salai Christ, Sfumato Malerei
Abbildung 48: Salai als Johannes der Täufer, Louvre Paris
Abbildung 49: Vergleich zwischen dem Salai Christ und Johannes dem Täufer
Abbildung 51: Salai als Sankt Sebastian, Puschkin Museum, Moskau
Auch in der Beschreibung des Puschkin Museums wird erwähnt, dass hier möglicherweise Salai dargestellt wird. Das Gemälde wird auf Ende der 1490er Jahre datiert. Wenn das Gemälde eine authentische Darstellung von Salai ist, kann man als Zeitraum 1495 bis 1497 annehmen, da salai 1480 geboren wurde.
Salai blickt hier den Betrachter auf eine sehr betörende Art an. Ganz ähnlich ist auch sein Blick in dem zuvor gezeigten Louvre Gemälde, sowie der Wiederholung dieses Gemäldes in der Ambrosiana.
Abbildung 53: Vergleich von Salai und Leonardo, ungefähr gleich alt.
Abbildung 58: Leonardos Gesichts Rekonstruktion und das Alexander Relief im Vergleich
Abbildung 59: Scipio Relief, Verrocchio Werkstatt, Paris Louvre
Abbildung 60: Vergleich von Salai und dem Scipio, der eine idealisierte Darstellung Leonardos ist
Wie sie sehen sind sich die Profile des Scipio und von Salai in der Leonardo Zeichnung erstaunlich ähnlich. Der um 1480 geborene Salai war aber wahrscheinlich noch gar nicht auf der Welt als das Relief entworfen wurde. Es gibt aber eine einfache Erklärung für diese Besonderheit.
Leonardo war auch Modell für den Scipio. Die ausführenden Werkstatt Mitarbeiter haben sich allerdings nicht sklavisch an ihre Vorlage gehalten und Leonardo insofern verändert und idealisiert, indem sie eine typische klassische Nase verwendeten wie sie an unzähligen antiken Köpfen zu sehen ist.Abbildung 61: Kopf eines Athleten, British Museum, London
Abbildung 62: Portrait eines Jungen, vermutlich Salai, wahrscheinlich Privat Sammlung
Abbildung 63: Überblendungsstudie zwischen dem Gesicht von Salai und dem David von Andrea Verrocchio.
Abbildung 64: Links: Donatello David um 1445, Bargello Museum und rechts: Verrocchio David um 1474, Bargello Museum, Florenz
Donatellos Darstellung des Davids ist stark idealisierend, während Verrocchio das tatsächliche Modell Leonardo verwendete. Donatello war ein in Florenz hoch angesehener Künstler als er im Alter von 80 Jahren 1466 verstarb. Andrea Verrocchio setzte sich immer wieder mit der visionären Kunst Donatellos aus. Er wusste auch sofort, dass Leonardo das richtige Modell für den David war, weil er dem Ideal Donatellos sehr nahe kam.
Im Vergleich der Profile der beiden David Gesichter kann man durchaus Ähnlichkeiten entdecken, während die beiden Gesichter von vorne gesehen sich weniger ähneln.
Deswegen ist es befremdlich, dass Leonardo Salai nicht einfach aus der Werkstatt warf, was das mindeste gewesen wäre was ein Renaissance Meister mit einem Lehrling gemacht hätte, der sich wie Salai verhielt.
Statt dessen bezeichnete er ihn zärtlich als Salaino, was Teufelchen bedeutet.
Man hat dieses außergewöhnliche Verhalten Leonardos immer damit erklärt, dass er in Salai oder in Salais Aussehen so verliebt war, dass er seine Diebstähle tolerierte oder dass er über einen außergewöhnlich sanftmütigen und verzeihenden Charakter verfügte.